2 Comments

  1. Eva Blanke

    Ein etwas schneller Kommentar:

    1. “Das Resultat ist aber keine naturalistische Blossstellung ihres Soseins als Kinder oder Behinderte, sondern ein eigentlicher Akt der Subjektivierung. Insofern ihre Prägungen, Verhältnisse und ihre «Triebstruktur» unerbittlich verhandelt und zur Schau gestellt werden, wird bei den Zuschauern die Illusion ihrer autarken Authentizität zerstört”.
    Ist man entweder Kind oder Behindert?
    Da ist zu lesen: Akt der Subjektivieren durch verhandeln ihrer Prägungen, Triebstruktur und Verhältnisse? Das sind hehre Ziele. Würden das mit Bezug zu Frauen hier stehen, würde ich mich fragen, ob ich im falschen Film bin. Weshalb? Weil da in einer Weise über Menschen geschrieben wird, als Triebgesteuerte (falls man noch an irgendwie naturwüchsige Triebe glaubt) mit eigenen Prägungen (vgl. dazu die Geschichte mit den Gänsen (Lorenz) bezüglich Prägung), Verhältnisse (ja, insofern es gesellschaftliche Verhältnisse sind) und dies quasi noch als Akt der Subjektivierung bezeichnet, das erinnert mich schon an “Entwicklungshilfe”.
    Was sicher bei der Zuschauerin passiert, sind einfach Momente von grosser Irritation und Peinlichkeit. Wird Behinderung als Konflikt zwischen Erwartungen und Fähigkeiten begriffen, so spielt dieses Theater von Milo Rau mit diesem Konflikt, indem alle erdenklichen Register gezogen werden.

    2. “ganz anderen, dem Überraschenden und Ungetrübten bei Kindern und Behinderten und der gleichzeitigen Gleichheits-, Normalisierungs- und Inklusionspraxis, die das Anderssein als gesellschaftliche Konstruktionen zurückweist und sowohl den Generationengraben wie auch die Autonomiedifferenzen einebnet.
    Gleichheit bezüglich: als Rechtssubjekt sind wir alle Gleich vor dem Recht (Knüppeltribunal in Deutschland mit Franz Christoph), Normal bezüglich der Idee der Deinstitutionalisierung gemäss Basaglia, und Inklusion als Teilhabe an allen für eine Gesellschaft wichtigen Gütern und Werten (Bildung, Politik und Kultur).
    Schade wird der in seinen Ursprüngen politische Begriff der Integration/Inklusion hier seiner Geschichte vollkommen entledigt, was nur Ausdruck einer leider vorherrschenden “gegenwärtigen Inklusionspraxis” sein kann.
    3. “Im Theater zeigt sich das in ihrem Scheitern am perfekten Spiel. Weil sie keinen direkten Zugang zu einer erwachsenen Emotionalität haben und sich alles von aussen her aneignen müssen, liegen sie immer wieder leicht daneben. Diese Unfähigkeit zur perfekten Repräsentation macht die Faszination aus, die gerne mit einem besonderen Zugang zur Wahrheit gleichgesetzt wird”.
    Einige Fragen dazu:

    Was ist eine erwachsene Emotionalität?
    Sind Menschen mit Behinderung kindgebliebene Erwachsene?
    Was bedeutet das, von aussen aneignen?
    Was ist ein perfekte Repräsentation?

    Ich denke, in diesem Zusammenhang wäre es wohl sinnvoll Klafki zu lesen oder auch Piaget.

    • Rolf Bossart

      Sehr geehrte Frau Blanke

      Sie machen mit Ihren Fragen und Bemerkungen auf tatsächliche Probleme aufmerksam, die im Stück und auch in meinem Text verhandelt werden. Inwifern mein Text selber auch Teil des Problems ist, stellen Sie zumindest als Frage in den Raum und ich kann das nicht ganz verneinen. Erstens ist meine Wortwahl (Triebstruktur), aus einer identifikatorischen Perspektive tatsächlich seltsam und zweitens ist der Versuch, qualifizierende Aussagen über behinderte Menschen zu machen immer in gewisser Weise Unrecht.
      Eine Bemerkung zu 1: Der Punkt auf den ich hinaus will mit dieser Wortwahl ist der, dass diese Begriffe das allgemein Menschliche bezeichnen, nicht Behinderung, nicht Männlichkeit, nicht das Weibliche usw. , es sind anthropologische Begriffe, die man natürlich teilen kann oder nicht, aber sie den behinderten Menschen zuzuerkennen, indem sie genauso auf der Bühne auftreten, wie das Nicht Behinderte SchauspielerInnen tun, die ja auch das Menschliche als Gewalttäter, Opfer usw. repräsentieren in der vollen Zweideutigkeit solcher Rollen, die ja im Stück thematisiert wird, ob sie jetzt das nur spielen oder es selber auch ein bisschen sind, was ja eben als Voraussetzung für Subjektivierung überhaupt gewertet werden kann, vielmehr als wenn Behinderte nur als nette Typen, spassige Hanswurste oder arme Benachteiligte, die auch was können usw. auftreten. In dieser Zweideutigkeit zeigt sich eben die Subjektivierung, so meine These.
      Zu Ihrer Frage: Ist man einfach Kinder oder Behinderte? Das bezieht sich auf die beiden Stücke Five easy pieces und Sodom und ist keine allgemeine Aussage..

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